15. November 2017 – Rede des Herrn Bürgermeisters zum „Tag des Königs“

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich sehr, Sie am heutigen „Tag des Königs“ und am „Festtag der Deutschsprachigen Gemeinschaft“ im Rathaussaal so zahlreich begrüßen zu dürfen.

Ein Tag wie dieser hat seine traditionelle Dramaturgie mit Te Deum, Empfängen, Nationalhymne und Ansprachen. Letztere mit einem Kanon der üblichen Themen. Es geht um Rückblick und Ausblick, um Erlebtes und Erstrebtes. Auch die Frage nach der Zukunft unserer Stadt und unserer Gemeinschaft stellt sich mit schöner Regelmäßigkeit.

Ich gestehe freimütig: Genau so mag ich das, denn ich finde all das immer wieder richtig und wichtig. Vor allem aber gehören Sie dazu. Durch ihre Anwesenheit zeigen Sie einmal mehr Ihre Verbundenheit mit der Stadt Eupen. Dafür danke ich Ihnen sehr herzlich namens des Gemeindekollegiums, des Stadtrates und unserer Verwaltung.

Werte Gäste,

als Bürgermeister der größten Gemeinde Ostbelgiens möchte ich in meiner Rede heute besonders auf den Stellenwert und den Einfluss der Deutschsprachigen Gemeinschaft auf die Entwicklung und Führung unserer Städte und Gemeinden eingehen. Ist unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern eigentlich bewusst, wie präsent die DG in den vergangenen 44 Jahren in unserem Leben geworden ist?

Waren die Wahrnehmung und der Sinn des „Rates der deutschen Kulturgemeinschaft“ im Oktober 1973 vielen Bürgern noch unklar, so änderte sich dies mit der Gründung des Rates der Deutschsprachigen Gemeinschaft und der Einsetzung der ersten Regierung im Jahre 1984. Die damaligen Exekutiven förderten nach einiger Zeit sichtbare Verwirklichungen im kulturellen, sportlichen und sozialen Bereich. Sport- und Trainingsstätten wurden gebaut, Kultur- und Freizeithallen eingeweiht und auch im Alten- und Pflegebereich entstanden neue Häuser.

Parallel dazu verbesserten sich die Bedingungen für unsere Sport- und Kulturvereinigungen. Auch im sozialen, später auch im schulischen Bereich wurde der Alltag unserer Bevölkerung mehr und mehr von der DG beeinflusst. Langsam aber sicher wirkte sich die neue Situation selbst bei politisch wenig interessierten Bürgerinnen und Bürger als identitätsstiftend aus.

Inzwischen ist eine Generation selbstbewusster junger Menschen herangewachsen, die hier lebt und arbeitet. Für sie ist die Deutschsprachige Gemeinschaft selbstverständlich.

Das Ministerium und die Übernahme neuer Befugnisse haben zahlreiche Arbeitsplätze vor allem in Eupen geschaffen. Der erhöhte Raumbedarf hat zu neuen Gebäuden geführt, die auch das äußerliche Bild unserer Stadt nachhaltig verändert haben. Ganz besonders möchte ich den Erhalt unseres städtebaulichen Erbes hervorheben. Zweifellos wird die DG auch in den kommenden Jahren städtebaulich deutliche Zeichen in unserer Stadt setzen.

Mit Sicherheit hat die Deutschsprachige Gemeinschaft die ostbelgischen Gemeinden zusammengeführt. So wie unsere Flagge auf das Gemeinsame der Gemeinschaft und auf die neun Kommunen hinweist, so wurden die Treffen auf Ebene der Bürgermeister wie auch der Fachschöffen, vor allem aber die Runde der Regierung durch die Gemeinden zu festen Bestandteilen.

Heute sind diese Versammlungen ein nicht mehr wegzudenkendes Forum des Austauschens, des Abstimmens und der Standortbestimmung. Dies wird in den kommenden Jahren noch deutlicher, weil die Marke Ostbelgien noch systematischer als bisher beworben wird.

Seit der Übertragung der Verwaltungsaufsicht und der Gemeindefinanzen ist die DG endgültig wichtigster Partner der Kommunen geworden. Die Aufsicht der ehemaligen „tutelle“ ist bedeutend schlanker und praktischer geworden und die Übersetzungen sind größtenteils entfallen.

Ich nenne nur einige bedeutende Projekte, die ohne Unterstützung der Deutschsprachigen Gemeinschaft nie und nimmer hätten verwirklicht werden können:

  • das Kulturzentrum „Alter Schlachthof“, das bereits anderthalb Jahre nach der Eröffnung eine Fülle von spartenübergreifenden Veranstaltungen anbietet und inzwischen aus der euregionalen Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken ist
  • das Wetzlarbad, womit Eupen in wenigen Monaten endlich wieder über ein hochmodernes Schwimmbad verfügen wird
  • die Sportinfrastruktur am Kehrweg, in der mehr und mehr Fußball der Spitzenklasse geboten wird
  • das runderneuerte Stadtmuseum, das seiner Fertigstellung entgegensieht
  • die touristische Aufwertung der Unterstadt mit u.a. bedeutenden Investitionen an der Wesertalsperre
  • die Renovierung und Instandsetzung von Kirchengebäuden
  • der Bau eines neuen Verwaltungsgebäudes der Stadt Eupen an der Simarstraße, das möglicherweise schon Mitte kommenden Jahres bezugsfertig ist
  • den Umbau der städtischen Grundschulen
  • die Sanierung der Sport- und Festhalle Kettenis und des Sportzentrums Stockbergerweg
  • den Bau der Musikakademie im Bellmerin
  • die umfangreichen Arbeiten im Alten- und Pflegeheim St. Joseph und natürlich der Ausbau des St. Nikolaus-Hospitals.

Diese Auflistung ist bei Weitem nicht vollständig. Sie vermittelt aber einen Überblick, wie die Investitionen der Deutschsprachigen Gemeinschaft inzwischen sämtliche Lebensbereiche unserer Bevölkerung betreffen. Die angestrebte Übertragung von Raumordnung und Wohnungsbau von der Wallonischen Region sowie die Übernahme der Zuständigkeiten der Provinz werden die Aufgabenbereiche der DG in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft
weiter vervollständigen.

Und gestatten Sie mir, als überzeugtem Munizipalist und Lokalpatriot, die Bemerkung:

Ohne die Stadt ist ohnehin kein Staat zu machen! Von ihrem Wohlergehen hängt wohl auch die Zukunft der Deutschsprachigen Gemeinschaft ab.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

die Zunahme an Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft darf natürlich nicht dazu führen, dass wir uns abkapseln. Die Euregio Maas-Rhein stellt für die Stadt Eupen deshalb ein interessantes Betätigungsfeld dar. Eupen muss sich künftig im euregionalen Raum noch besser positionieren, denn nicht nur die großen, sondern auch viele mittelgroße Städte haben ehrgeizige Pläne. Die Zusammenarbeit mit unseren wallonischen, flämischen niederländischen und deutschen Gemeinden sollte deshalb intensiviert werden.

Werte Gäste,

bei aller Genugtuung über das Erreichte und der Vorfreude auf neue Herausforderungen sollten wir nicht vergessen, dass Ostbelgien natürlich nicht der Nabel der Welt ist. Vieles kann, vieles muss verbessert werden, aber es ist unbestritten, dass wir in Belgien eine Form des Zusammenlebens gefunden haben, um Kohabitation und Integration erfolgreich zu praktizieren.

Die bedenkliche Entwicklung in Katalonien der letzten Wochen zeigt uns auf, dass Autonomie nicht um ihrer selbst willen eingefordert werden kann. Leider steht zu befürchten, dass es in Spanien dabei mehr Verlierer als Gewinner geben wird. Natürlich ist die Bundesstaatlichkeit nach belgischem Model kein Patentrezept und nur bedingt auf andere Länder übertragbar, aber sie garantiert nicht zuletzt unsere nationale Einheit. Das erfordert eine politische Kultur, die auf Lösungen und nicht auf Konfrontation ausgerichtet ist. Der Kompromiss ist in der direkten Demokratie kein Zeichen der Schwäche, sondern von Stärke.

Arbeiten wir also daran, dass Belgien, die Deutschsprachige Gemeinschaft und ganz besonders unsere Heimatstadt weiterhin einer der besten Orte zum Leben, zum Lernen und zum Arbeiten bleibt. Ich bin mir sicher; unsere Bürgerinnen und Bürger, ob „alte“ oder „neue“ Ostbelgier – sie alle werden auch künftig ihre Chancen nutzen.

In diesem Sinne bitte ich Sie, mit mir auf die Zukunft der Stadt Eupen, auf das Wohlergehen der Deutschsprachigen Gemeinschaft, auf die Einheit Belgiens, und vor allem auf die Gesundheit der Königlichen Familie einzustimmen:

“ Es lebe der König!  –  Vive le Roi!  –  Leve de Koning! “

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.